Vom Dunkel ins Licht

von Sabine Elsa Müller, erschienen zur Ausstellung »auf dunklem, scheinbar schwarzem Grund«, Städtische Galerie Eichenmüllerhaus, Lemgo, 2020

Es ist geradezu unmöglich, gegenüber der Malerei von Sonja Kuprat – zumal wenn es sich um eine ihrer großen Leinwandarbeiten handelt – eine kühl-distanzierte Haltung einzunehmen. Hier öffnen sich weit außerhalb des gewöhnlichen menschlichen Erfahrungshorizonts gewaltige Räume, die auf den Betrachter / die Betrachterin eine solche Sogwirkung ausüben, dass sie ihn oder sie förmlich in diese großen Bewegungen entfesselter Elemente hineinziehen.

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von Sabine Elsa Müller, erschienen zur Ausstellung »auf dunklem, scheinbar schwarzem Grund«, Städtische Galerie Eichenmüllerhaus, Lemgo, 2020

Es ist geradezu unmöglich, gegenüber der Malerei von Sonja Kuprat – zumal wenn es sich um eine ihrer großen Leinwandarbeiten handelt – eine kühl-distanzierte Haltung einzunehmen. Hier öffnen sich weit außerhalb des gewöhnlichen menschlichen Erfahrungshorizonts gewaltige Räume, die auf den Betrachter / die Betrachterin eine solche Sogwirkung ausüben, dass sie ihn oder sie förmlich in diese großen Bewegungen entfesselter Elemente hineinziehen. Wind, Wasser, Feuer und immer wieder Wolken, aus eben diesen Elementen entstanden, drängen aus der Tiefe eines unauslotbaren Bildraumes hervor, der nichtsdestotrotz unter dem Druck der sich ausdehnenden Volumen fast beengt erscheint. 

Die starke Spannung innerhalb des Bildes wird aber nirgends so deutlich wie an seinen Grenzen, an den Bildkanten, die wie eine Barriere das dramatische innerbildliche Geschehen »im Zaun« halten. Sonja Kuprat betont diese Grenze zwischen innen und außen auf vielfache Art, beispielsweise durch das häufig eingesetzte formale Mittel der vom Bildrand angeschnittenen Form oder auch schon durch die Verwendung fast schwarzer Bildgründe. Bei aller Suggestivkraft gehört der Bildraum einer anderen Sphäre an als der Raum des Betrachters / der Betrachterin. Es ist ein reiner Illusionsraum, entstanden durch Malerei, von der schon die großen Meister der Renaissance erkannten, dass sie in der Lage sei, »Raum zu schaffen, wo keiner ist« (Leon Batista Alberti, Über die Malkunst, 1435/1436).

Sonja Kuprats Bilder handeln von dieser Spannung zwischen der hyperrealistischen Illusion und ihrer gleichzeitigen Entlarvung als Malerei. Je feiner und gekonnter ihre Wolken moduliert sind, desto erstaunlicher ist der Grad des erzeugten Illusionismus, aber ein immer auch anwesender anti-illusionistischer Anteil sorgt in dieser Malerei sofort für ein Gegengewicht, das – um mit Magritte zu sprechen – besagt: »Ceci n´est pas une nuage« (Dies ist keine Wolke): Es ist eine gemalte Wolke. Manchmal erinnern Kuprats Wolken tatsächlich an den sinnbildlichen Konzeptualismus eines René Magritte, denn bei aller meisterlichen Perfektion sind sie keine wirklichen Nachempfindungen der Natur, sondern Kondensate der Malereigeschichte. Wenn auch die Renaissance die Entdeckung des malerischen Illusionsraums für sich beansprucht – weiterentwickelt bis zu einem Grad, der die Natur selbst noch zu übertreffen versuchte, wurde der Illusionismus im Barock. Das war die Epoche, in der die Maler die gebaute Architektur mit Deckengemälden durchbrachen, die geradewegs zu den himmlischen Heerscharen und den Heiligen führten. Schon damals war für die sekundenschnelle Durchquerung einer solchen Strecke eine alles mit sich reißende Bewegung notwendig und das Licht als Kompass, der den Blick lenkt. 

Wolken scheinen aus Licht und Bewegung zu bestehen. An ihnen lässt sich exemplarisch nachvollziehen, wie sich durch Verdichtung aus der Fläche der Leinwand  eine Form herausbildet. Ganz buchstäblich vollzieht Sonja Kuprat diese Formfindung, indem sie auf der nahezu schwarz grundierten, liegenden Leinwand gestische Pinselspuren wie Markierungen anbringt. Der Zugriff ist also nicht frontal, sondern räumlich von allen vier Seiten aus möglich. Im weiteren Sinn gibt es auch kein Anfang und Ende, keine gerichtete Abfolge des Farbauftrags von links oben nach rechts unten. Kuprat arbeitet aus der Bewegung, ihrer eigenen inneren Mitte heraus in einem situativen, möglichst wenig kontrollierten Malprozess. Die Spuren dieser freien Pinselbewegung schreiben sich als gestische Strukturen nieder und verdichten sich erst in den Überlagerungen vieler Schichten zu einer Komposition. 

Erst jetzt wird die Arbeit an der Wand weitergeführt, vom Dunkel ins Licht bis in die feinsten Modulationen hinein. Die noch erkennbare gestische Handschrift steht in einem starken abstrakten Kontrast zu den detailliert ausformulierten Partien. Hier kommen die  Wirklichkeitsebenen im Bild in Balance, wie auch die Bewegung in den aufgebauschten Wolkenknäueln letztlich verpufft. Der starke Kontrast zwischen hell und dunkel, der Wechsel zwischen fast schrillen Farbkontrasten und zartesten Modulationen, die überwältigenden räumlichen Dimensionen bei einer gleichzeitig verblüffend scharfen Nahsicht der Dinge – all diese gegenläufigen Eindrücke schaffen eine sinnliche Wirkung, deren Ursache sich klar als gemacht, nämlich gemalt, zu erkennen gibt, die aber dennoch in der Lage ist, den ganzen Menschen mit seinen Emotionen, seinem Denken und seinem Körpergefühl zu erfassen und eine Erfahrung des über sich selbst Hinauswachsens zu vermitteln.

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Zeigen, was Malerei kann

von Jens Peter Koerver, erschienen zum Katalog »Aus der Tiefe« zur DEW21 Kunstpreisträgerausstellung im Dortmunder U, Dezember 2018

Es ist nicht leicht zu sagen, was sich auf den Bildern Sonja Kuprats ereignet. Offen ist, wo sich dergleichen abspielt. Offen sind die Dimensionen der Handlungsräume, fehlen doch alle Indizien und Maßstäbe, die zumindest Mutmaßungen stützen könnten. Vage benennen lassen sich spektakuläre Lichterscheinungen, Fluten und Sturzregen, Berstendes, Herabstürzendes oder Herabschwebendes, Glühendes und Kühles. Auch wenn Wolken und Nebel mit Gewissheit auszumachen sind,

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von Jens Peter Koerver, erschienen zum Katalog »Aus der Tiefe« zur DEW21 Kunstpreisträgerausstellung im Dortmunder U, Dezember 2018

Es ist nicht leicht zu sagen, was sich auf den Bildern Sonja Kuprats ereignet. Offen ist, wo sich dergleichen abspielt. Offen sind die Dimensionen der Handlungsräume, fehlen doch alle Indizien und Maßstäbe, die zumindest Mutmaßungen stützen könnten. Vage benennen lassen sich spektakuläre Lichterscheinungen, Fluten und Sturzregen, Berstendes, Herabstürzendes oder Herabschwebendes, Glühendes und Kühles. Auch wenn Wolken und Nebel mit Gewissheit auszumachen sind, bleiben diese Bilder geheimnisvoll, rätselhaft. Landschaften sind es nur ausnahmsweise, Horizonte gibt es allenfalls als Andeutungen und Ahnungen. Oft bleiben die Räume bodenlos, eher sind es atmosphärisch dimensionierte Sphären, kosmische Weiten oder Tiefen ohne identifizierbaren Betrachter-standort.

        Fraglos aber sind es Handlungen, transitorische Situationen, die einen vorübergehenden Moment im Bild festhalten und damit zugleich ein Zuvor und ein Danach, als Gedanken, als vorstellbare Vor- und Nachbilder evozieren. Aber jenseits individuell-subjektiver, erfahrungsabhängiger Zuschreibungen bleibt das akute Bildgeschehen unergründlich.

Durch den Verzicht auf Bildtitel – die einzelnen Werke tragen lediglich fortlaufende Nummern – existieren keine sprachlichen Hinweise zu den einzelnen Arbeiten. Ebenso wenig gibt es Erläuterungen oder begleitende Texte der Künstlerin. Lediglich die Namen einzelner Werkgruppen, die auch als Ausstellungstitel fungieren, bieten vage Anhaltspunkte, indem sie das Augenmerk auf bestimmte zentrale Bildelemente richten (» Wolken und Firmament «) oder das Ereignishafte betonen (» was noch werden wird «). Zugleich aber halten sie durch Auslassungen und Leerstellen in der Formulierung die Offenheit des Geschehens aufrecht. Sie ziehen eine Möglichkeitsfülle hinter sich her, da mit einer Formulierung wie » Aus der Tiefe « fraglich bleibt, wer oder was in welcher Weise » Aus der Tiefe « agiert.

Wolken, in fast allen Bildern sind sie – zumindest als vage Ahnung – zu sehen. Wolken und Himmelszonen kommen als den einzigen eindeutig benennbaren Bildgegenständen zentrale Bedeutung zu. Wolken sind auf diffuse Weise bedeutsam, ihre unendliche Gestaltfülle ist eine Einladung zur Assoziation. Einst waren sie Vorzeichen des Bevorstehenden. Ihr Ort ist eine lange für den Menschen unerreichbare, dem Himmel, den Himmlischen nahe Sphäre. Ihr Wesen ist stete Verwandlung. Phantastisch sind sie und zugleich real, faszinierend schon durch ihre schiere Größe, ihre absichtslose Schönheit.    

Als Gegenstand der Malerei berühren sie die Grenze zum Abstrakten, gestatten eine enorme Vielfalt der Formen wie sie auch Licht- und Farbspielen größte Freiheit geben, zumal wenn man sich, wie Sonja Kuprat auch, nicht unbedingt zu meteorologisch korrekten Wolken verpflichtet sieht, sie vielmehr gemäß den Notwendigkeiten des jeweiligen Bildes erfindet. Kuprats Wolken sind gemalte Wolken und sie verdanken sich wiederum, zumindest ein Stück weit, der Malerei. Im Atelier gibt es eine Sammlung von Bildreproduktionen, die durch provisorische Abdeckungen auf Wolken, Himmel konzentriert sind. Aber auch der Blick aus dem großen Fenster des Ateliers und Fotografien gehören zusammen mit alltäglichen, beiläufigen Beobachtungen zu den frei genutzten Quellen und Anregungen – nie geht es um direkte oder vollständige Abbildungen – für die in den Bildern festgehaltenen Wolken.

Sonja Kuprat ist ausschließlich Malerin. Malerei ist – eine leicht-fertige Definition, ein Vorschlag – von Hand bewegte Farbe mit der Intention ein Bild zu schaffen. Aus der Interaktion von Farbmaterial (hier ist es Ölfarbe), einem Träger (hier Leinwand oder Holz) und dem Malenden, also der Einheit aus Auge, Hand, Körper, Emotion, Erfahrung, Verstand und Geist, entwickelt sich, wenn alles gut geht, jene eigentümliche, in ihrer Lebendigkeit nicht recht fassbare Attraktion des gemalten Bildes.

Sonja Kuprat beginnt ihre Malereien stets auf dunklem, scheinbar schwarzem Grund. Nichts ist vorgezeichnet, vorgedacht (Ausnahmen Nr. 429 und 430) bestätigen die Regel. Was Bild wird, ergibt sich nach und nach in einem diffizilen Prozess aus Anfängen, ersten, willkürlich erscheinenden Setzungen. Aus diesen erwachsen Möglichkeiten, zeichnet sich eine Richtung ab, die sich konkretisieren kann oder auch wieder verworfen, gelöscht werden muss. Natürlich spielen hierbei das eigene, individuelle Bildrepertoire, visuelle Neugierde, Gesehenes und noch Ungesehenes, bestimmte Farbvorlieben eine Rolle. Die großen Leinwände werden zunächst auf dem Boden liegend mit expressiv anmutenden Malhandlungen bearbeitet, oft ohne ein definiertes Oben und Unten. Zuletzt, nach verschiedenen Zwischenschritten, werden auf den an der Wand hängenden Arbeiten in minutiöser, zeitaufwändiger Pinselmalerei Wolken, Luft, Himmel entwickelt. Woher diese Bilder kommen ist Sonja Kuprat selbst nicht er-
gründlich. Ihr Zustandekommen ist auch ein Auftauchen » Aus der Tiefe «. Der Zufall spielt, zumal beim Einstieg in die Bildfindung, eine Rolle. Ebenso diverse Handhabungen der Farbe, die von kontrollierten, wohlerwogenen Verfahren wie Gießen, Schütten, Klecksen und Spritzen, über markant platzierte, als solche auch erkennbare Pinselzüge (sie erscheinen wie Leuchtspuren oder Stürzendes, fungieren als Horizont), bis hin zu minutiöser Feinmalerei reichen. Hinzu kommen andere Techniken des Farbauftrags; um Missverständnissen vorzubauen: Airbrush wird nicht verwendet. Seinen Abschluss findet dieser Malprozess, wenn sich das Entstandene »zum Bild schließt« wie Sonja Kuprat sagt, wenn – auch dies ein Zitat – » nichts mehr hinzuzufügen ist «.

Im malerischen Werk Sonja Kuprats nehmen die kleinen, immer auf Holz gemalten Formate einen besonderen Platz ein. Vorstudien für größere Arbeiten sind es nicht, vielmehr handelt es sich um eigenständige Arbeiten, die zwar ein Teil der großen Werkgruppen sind, zugleich aber weisen sie einen ganz eigenen Charakter auf, zeigen – unabhängig von den (nicht immer mit letzter Trennschärfe benennbaren) Differenzkriterien der großen Werkkapitel – eine auffallende Kontinuität. In diesen Bildern verschreibt sich Sonja Kuprat ganz der Wolkenmalerei, konzentriert sich auf eine einzige, einige wenige, manchmal auch ein Wolkenfeld, ein Himmelssfumato aus luftig fließenden Übergängen. Damit verbunden ist – keineswegs immer – die Andeutung einer Landschaftszone, ein Horizont, manchmal ein stark farbiges, mitunter toxisch anmutendes Leuchten am oberen oder unteren Bildrand. Trotzdem, diese Arbeiten erscheinen introvertierter, in sich ruhend, sind eher dem Allmählichen als dem Plötzlichen, dem behutsamen Zauber des Lichts gewidmet.

Die kleinen Tafeln, sie entstehen auf der Staffelei, verdanken sich einer akribischen Feinmalerei. Mit ihr gelingen subtile Vergegenwärtigungen des Sujets, erlangen die Wolkenkörper ihre besondere Plastizität, zeigt sich ihre Weichheit und Transparenz, wird ihr Schweben und Diffundieren in die umgebende Luft ins Bild übersetzt. Auch die Nuancen der Beleuchtung, das An- und Abschwellen des Lichts und damit verbunden die subtilen Färbungen des Himmels, der Wolken sind mit großer Erfindungskraft virtuos entfaltet. Das alles zeugt von einer Freude an der Perfektion, der Illusion, die eine » artifizielle Präsenz « (Lambert Wiesing) des Dargestellten mittels der Malerei erreicht. Diese Bilder zeigen eine Lust am Malen, die ein Auskosten von Nuancen, feinen Unterschieden, minimalen Temperatur- und Farbstufen ist. Nicht zuletzt machen sie augenfällig, wie sehr die Malereien Sonja Kuprats Lichtbilder sind.

Drei der seit 2011 entstandenen Werkgruppen werden in der vorliegenden Publikation exemplarisch vorgestellt. Was sie – besonders in Hinsicht auf die großen Leinwandformate – charakterisiert, ihre Besonderheiten ausmacht, ist nicht von markanten Brüchen oder Entwicklungssprüngen bestimmt, vielmehr sind es Veränderungen oder Weitungen, zeitweilige Interessenverlagerungen, die für diese Gliederung sprechen. So wird die Werkgruppe » was noch werden wird« aus den Jahren 2011 bis 2015 von einer auffallenden Grün-Blau-Farbigkeit bestimmt, aquatische Ereignisse wie gewaltige Güsse und Farbsturzbäche verbunden mit ausgesprochen physischen, mitunter schroff einsetzenden und abbrechenden Farbsetzungen prägen diese Arbeiten. » Wolken und Firmament « (2015–2017) zeigt ein erweitertes Farbspektrum, kaltes Rot, Glühendes sind neue Möglichkeiten. Zugleich erscheinen die Bilder weicher, gewissermaßen wolkiger, verhaltener entfaltet sich ihre Dramatik. Seit 2017 entwickelt sich mit » Aus der Tiefe « die jüngste, noch nicht abgeschlossene Serie. Hier ist das Grün verschwunden, kühles Blau herrscht vor, Rot tritt als ebenso faszinierender wie bedrohlicher Feuerregen in Erscheinung, tiefdunkel und kaum noch irdisch verortet sind die Räume dieser Bilder.

Was die drei Gruppen über Faktoren wie atmosphärische Intensität, geheimnis- volle Ereignisstruktur und maßstablose Räumlichkeit hinaus verbindet, ist eine für diese großformatigen Arbeiten Sonja Kuprats spezifische doppelte Malerei. Diese doppelte Malerei führt anschaulich vor Augen, was die Künstlerin in Gesprächen wiederholt als einen wesentlichen Aspekt ihrer Arbeit formuliert hat, nämlich zu » Zeigen, was Malerei leisten kann «. Diese Doppelung bezieht sich zunächst auf die Kombination von frei gesetzter, geschleuderter, getropfter Farbmaterie und raffinierter, fein ausgeführter Pinselmalerei. Im Bild Nr. 333 schweben grün-weiße Wolken über einem aus Klecksen und Spritzern bestehenden dynamischen Wettergeschehen. Der Licht- und Farbenregen ergießt sich aus gemalten Wolken, das eine verwandelt sich aus dem anderen, verbindet sich zu einem stimmigen Ganzen. Die genuin malerische Tatsache einzelner Pinselstriche zeigt sich in Bild Nr. 396 als etwas grünlich Leuchtendes, Herabfallendes. Die im Bild suggerierte Fallrichtung widerspricht der ebenso sichtbaren Faktizität des Malaktes; die Malerei zeigt ihren Doppelcharakter als illusionistische Darstellung und nüchtern Darstellendes. Eine andere Facette bietet das aus zwei Einzelbildern bestehende Diptychon aus den Nummern 429 und 430. Die Kombination von tiefschwarzer Fläche und rundem Ausblick auf einen Wolkenhimmel – ein Foto im Atelier verweist auf eine vergleichbare Blicksituation im Pantheon – bzw. die Umkehrung dieser Konstellation, nun mit schwarzer Kreisfläche vor einem Wolkenraum, artikuliert das Paradox des Bildes: Zugleich und gleichermaßen Raum und Nichtraum, Illusion und Fakt zu sein. Exemplarisch führt es eine von Sonja Kuprat gern zitierte Maxime Leon Batista Albertis vor Augen. Alberti schrieb 1453, das Bild könne » Raum schaffen, wo keiner ist «. Sowohl die Raumsuggestion wie auch dessen gleichzeitiges Nichtvorhandensein konzentrieren diese doppelten Malerei-Bilder.

Zweierlei verbindet sich – in jeweils unterschiedlicher Weise – bei der Betrachtung der Bilder und macht dabei die Tiefe der Arbeiten Sonja Kuprats deutlich: Es sind Bilder, die Verwandlungen, Übergänge, Auflösungs- und Entstehungsprozesse zeigen, plötzliche und allmähliche, naturgewalthafte und unmerkliche, sanfte. Und es sind unzweifelhaft Malereien, die ihr Entstandensein, ihre Materialität, die Erzeugung von Illusion als ihr Vermögen zeigen. Die Malerei präsentiert sich als Kunst der Verwandlung von Materie im Akt des Malens. Diese Verwandlung, deren Inbegriff die Wolken sind, stellen die Malereien sichtbar vor Augen.

 

 

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DEW21 Kunstpreis 2017 verliehen

Anlage zur Pressemitteilung, September 2017
Begründung der Jury

Preisträgerin des DEW21 Kunstpreises 2017, Sonja Kuprat

Vielfach fühlen sich Betrachter der Landschaftsbilder von Sonja Kuprat an fotografische Aufnahmen aus dem Weltall oder ungewöhnliche Wetterphänomene erinnert. Doch die Arbeiten sind vielmehr Denkbilder und Transformationen von realer Natur in Malerei. Kuprat beschreibt sie als Ergebnisse aus gedanklichen und emotionalen Momenten sowie formalen Überlegungen zum Thema Landschaft. Diese Ideen spiegelt sie in abstrakten Gemälden wider.

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Anlage zur Pressemitteilung, September 2017
Begründung der Jury

Preisträgerin des DEW21 Kunstpreises 2017, Sonja Kuprat

Vielfach fühlen sich Betrachter der Landschaftsbilder von Sonja Kuprat an fotografische Aufnahmen aus dem Weltall oder ungewöhnliche Wetterphänomene erinnert. Doch die Arbeiten sind vielmehr Denkbilder und Transformationen von realer Natur in Malerei. Kuprat beschreibt sie als Ergebnisse aus gedanklichen und emotionalen Momenten sowie formalen Überlegungen zum Thema Landschaft. Diese Ideen spiegelt sie in abstrakten Gemälden wider. So, wie Kuprat im Schaffensprozess Landschaftsmotive und -erinnerungen begleiten, sollen sich auch die Betrachter animiert fühlen, den eigenen Erfahrungsschatz mit Landschaften zu erinnern. Künstlerin und Betrachter teilen damit vor den Arbeiten ein »Seherlebnis«.

Kuprat hat Malerei an der FH Köln und Grafik-Design an der Fachhochschule Düsseldorf und Dortmund studiert. Für ihre Arbeiten hat sie in der Vergangenheit bereits Auszeichnungen und Stipendien erhalten. Darüber hinaus hat sie ihre Werke in internationalen wie nationalen Ausstellungen einer breiten Öffentlichkeit präsentiert.

Begründung der Jury
Zu Sonja Kuprats Werken gehören Adjektive wie dynamisch, bedrohlich, schwebend, farbgewaltig, harmonisch, geheimnisvoll, strahlend, dunkel – die Jury des DEW21 Kunstpreises 2017 hat überzeugt, mit welcher hohen malerischen Qualität Sonja Kuprat diese sinnlichen und nur scheinbar gegensätzlichen Wahrnehmungen erzeugt. Die Künstlerin arbeitet häufig auf dunkel, sogar schwarz grundierten Leinwänden. Die im weiteren Arbeitsprozess aufgebrachten Farbflächen werden nicht zu einer Gegenstandsbeschreibung benutzt – auch wenn der Betrachter glaubt, in ihren Bildern Horizonte oder Wolken oder Wetterleuchten ausmachen zu können, weil es seinen Sehgewohnheiten entspricht. Tatsächlich aber wirken die Farben eigengesetzlich und triggern gerade deshalb besonders kraftvoll unsere Fantasie.

Sonja Kuprats Werke überzeugen als echte Malerei mit feinster Bearbeitung farbiger Flächen. Diese Beherrschung der künstlerischen Mittel wertete die Jury als absolut preiswürdig.

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Dortmunder Kunstpreis für Sonja Kuprat

Auszeichnungen, Dortmund, September 2017
Direkt aus dem dpa-Newskanal, Dortmund (dpa/lnw)

Die Künstlerin Sonja Kuprat ist die diesjährige Trägerin des mit 10 000 Euro dotierten Dortmunder DEW21 Kunstpreises. Die »hohe malerische Qualität«, mit der Kuprat sinnliche Wahrnehmungen erzeuge, habe die Jury überzeugt, hieß es am Freitag in einer Mitteilung des Museums Dortmunder U. Die Landschaftsbilder Kuprats erinnerten häufig an fotografische Aufnahmen von ungewöhnlichen Wetterphänomenen oder Weltallereignissen, doch sie seien mitnichten Abbildungen realer Natur.

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Auszeichnungen, Dortmund, September 2017
Direkt aus dem dpa-Newskanal, Dortmund (dpa/lnw)

Die Künstlerin Sonja Kuprat ist die diesjährige Trägerin des mit 10 000 Euro dotierten Dortmunder DEW21 Kunstpreises. Die »hohe malerische Qualität«, mit der Kuprat sinnliche Wahrnehmungen erzeuge, habe die Jury überzeugt, hieß es am Freitag in einer Mitteilung des Museums Dortmunder U. Die Landschaftsbilder Kuprats erinnerten häufig an fotografische Aufnahmen von ungewöhnlichen Wetterphänomenen oder Weltallereignissen, doch sie seien mitnichten Abbildungen realer Natur. Die 1958 in Essen geborene Kuprat lebt und arbeitet in Köln und Dortmund.

Vergeben wurde der Preis bereits zum zwölften Mal von der Dortmunder Energie- und Wasserversorgung GmbH (DEW21). Mit der Auszeichnung sollen Künstlerinnen und Künstlern aus dem Ruhrgebiet die Möglichkeit bekommen, ihre Werke einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren. Der mit 2500 Euro dotierte Förderpreis ging an die Dortmunder Künstlerin Silke Schönfeld. Im Dortmunder U ist eine Ausstellung mit Werken der insgesamt 14 nominierten Künstler sowie eine Einzelschau des Preisträgers von 2016, Jáchym Fleig, zu sehen. kunstpreisDEW21

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Sonja Kuprat – Wolken und Firmament

Dagmar Behr, Kunsthistorikerin, Düsseldorf, Januar 2017

Die Malerin Sonja Kuprat beschäftigt sich in ihrem Werk mit der traditionellen Gattung der Landschaftsmalerei. Als Künstlerin der Gegenwart gilt ihr Interesse dabei weniger dem Außenraum der realen Natur, als vielmehr der Idee von Landschaft und deren Inszenierung als Malerei. Das Sujet ihrer im Grunde abstrakten Bilder eröffnete sich dem Betrachter bislang, wenn er beispielsweise ein grünes Farbfeld oder eine horizontale Pinselspur in der Bildmitte als vermeintlich vertraute Elemente aus der Natur erkannte.

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Dagmar Behr, Kunsthistorikerin, Düsseldorf, Januar 2017

Die Malerin Sonja Kuprat beschäftigt sich in ihrem Werk mit der traditionellen Gattung der Landschaftsmalerei. Als Künstlerin der Gegenwart gilt ihr Interesse dabei weniger dem Außenraum der realen Natur, als vielmehr der Idee von Landschaft und deren Inszenierung als Malerei. Das Sujet ihrer im Grunde abstrakten Bilder eröffnete sich dem Betrachter bislang, wenn er beispielsweise ein grünes Farbfeld oder eine horizontale Pinselspur in der Bildmitte als vermeintlich vertraute Elemente aus der Natur erkannte. Bei den aktuellen Arbeiten dieser Ausstellung ist es Sonja Kuprat gelungen, sie der einfachen Deutung als Landschaftsbild noch weiter zu entziehen. Man kann den Bildern sogar auf Abwege folgen und sich zunächst an fotografische Aufnahmen aus den Medien erinnert fühlen, die ungewöhnliche Wetterphänomene oder die Entdeckung eines unbekannten Sterns dokumentieren. Sonja Kuprat malt jedoch weder nach Abbildungen noch in bzw. nach der Natur. Die Motive, nach denen sie ihre Gemälde entwickelt, entstammen einem Materialrepertoire, das sie sozusagen in sich trägt. Es entsteht aus visuellen Begegnungen, beispielsweise beim Blick aus dem Fenster in den Himmel und die Wolken, aus gedanklichen oder emotionalen Momenten, die sich mit einem Bild verknüpfen, oder auch aus Erkenntnissen aus formalen Überlegungen zum Thema ihrer Arbeit.

»Seherlebnisse«, wie die Künstlerin sich ausdrückt, initiieren den Arbeitsprozess. Indem sie ihr die Vorstellung von einem Motiv vermitteln, mit dem sie arbeiten und dessen Potential sie erforschen möchte. Die Ausarbeitung mit der Ölfarbe folgt dem Gestus der Malerin. Auf kleinen Holztafeln oder Leinwänden unterschiedlicher Größe, beginnt Sonja Kuprat die Auseinandersetzung mit dem Studienobjekt. Im Verlauf der weiteren Gestaltung ihres Themas entwickeln sich aus den einzelnen Werken ganze Werkabschnitte. Ein inhaltlicher Schwerpunkt kann allerdings in einem anderen Zusammenhang zu einem anderen Zeitpunkt durchaus erneut bearbeitet werden. Auf ihrer Website macht die Künstlerin diese Arbeitsweise deutlich, wenn sie die Ansichten ihrer Bilder auf die Elemente Himmel, Wolken, Land, Horizonte, Gräser, dunkle Bilder und Inseln verteilt. Ihre Gemälde haben keine Namen, sie werden seit vielen Jahren nummeriert. Die unterschiedlichen Formate nehmen innerhalb der entstehenden Serien eine gleichwertige Stellung ein und werden in den Ausstellungen bewusst im Zusammenhang präsentiert.

Zu Beginn des Malprozesses liegen die Leinwände zunächst auf dem Atelierboden. Auf die in den aktuellen Werken dunkle Grundierung wurden die helleren Farben von der Künstlerin zunächst spontan aufgetragen, mit dem Pinsel, gespritzt oder auch geschüttet, bevor sie mit diversen Techniken und Bedacht weiterbearbeitet werden. Auf manchen der so entstandenen Bilder wurden die erstgesetzten Farben ausdrucksstark exponiert, auf anderen auf geradezu altmeisterliche Weise bildhafte Details herausgearbeitet und in einigen Arbeiten finden sich diese konträren Verfahren auch zu einem harmonischen Bildgefüge vereint. Es gibt Bilder mit denen sich Sonja Kuprat lange und immer wieder neu auseinandersetzen muss. Mitunter wird der ursprüngliche Ansatz grundsätzlich revidiert, wenn sich das Entstehende einem befriedigenden Ergebnis versperrt oder ein geschaffenes Detail ihr Interesse umlenkt. Im Vorgang der Bilderfindung dienen ihr der reale Landschaftsraum und die kunstgeschichtliche Entwicklung der Landschaftsmalerei als Bezugspunkte.

Die Wolken, die der Betrachter in den Bildern der Künstlerin entdeckt, und die der Ausstellungstitel gemeinsam mit dem Firmament benennt, stellen einen interessanten Zusammenhang her. Wolken fanden erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts, nach der Veröffentlichung der wissenschaftlichen Studie eines Meteorologen, vor allem bei den Malern der Romantik ein eigenständiges Bildinteresse. Und sowohl diese Begrenzung auf ein einzelnes Bildthema, als auch die offene Malweise, die sie in ihren Wolkenstudien entwickelten, waren später Anregungen für die Moderne. Aus der Malerei der Romantik kennen wir auch den dualistischen Effekt von beispielsweise Licht und Finsternis. Als Kontrast zwischen hellleuchtender und dunkler Farbe, hat er für einige Werke in dieser Ausstellung eine raffinierte Verwendung gefunden. Die Romantiker gebrauchten ihn zur Verstärkung der suggestiven Wirkungskraft ihrer Gemälde, um die sich zur Mitte des 20. Jahrhunderts auch die amerikanische Farbfeldmalerei auf oft monumentalen Formaten bemühte. Zumindest einigen ihrer Vertreter waren die Seelenlandschaften der Romantik eine wichtige Anregung.

Die Rezeption dieser Positionen der Kunstgeschichte, die dem Betrachter eine weitere Ebene im vorgestellten Außenraum bzw. Tiefenraum des gemalten Bildes eröffneten und dabei auf sein Innerstes zielten, wird besonders in dem großformatigen, von rötlichen Farbwolken durchzogenen dunklen Bild von Sonja Kuprat deutlich. In diesem Bild ist man versucht in den dunklen, gerundeten Feldern im unteren Bildteil eine dichtgedrängte Inselgruppe oder auch Erdverkrustungen auf der Oberfläche beispielsweise eines Planeten zu erkennen. Es entstehen also zwei ganz gegensätzliche Vorstellungen, die sich zudem beide als Illusion erweisen. Sonja Kuprat spielt, wenn man so sagen will, mit dem Betrachter ihrer Landschaften, wenn sie aus dem eigenen »Seherlebnis« heraus, den Fundus an Erinnerungen und Bildern initiiert, den jeder in sich trägt. Es ist jedoch ein freundliches Spiel, und ihre Bilder sind wahrlich ernstzunehmende Angebote.

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Sonja Kuprat – Vebikus Kunsthalle Schaffhausen

Wolken und Firmament
Rede zur Ausstellungseröffnung von Leo Bettina Roost, Kuratorin, Februar 2017

Ich freue mich sehr Ihnen die Kölner Malerin Sonja Kuprat vorstellen zu dürfen. Sonja Kuprat habe ich vor vielen Jahren in meiner zweiten Heimat Köln kennengelernt. Bereits 2005 als ich den Ausstellungsraum 150kubik Largus kuratierte, konnte ich sie zusammen mit Käthe Kruse aus Berlin zu einer Ausstellung einladen. Seither verfolge ich ihre Malerei und bin nach wie vor fasziniert von ihrer gewagten und gelungenen Kombination aus annähernd photorealistischer und abstrakter Malweise.

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Wolken und Firmament
Rede zur Ausstellungseröffnung von Leo Bettina Roost, Kuratorin, Februar 2017

Ich freue mich sehr Ihnen die Kölner Malerin Sonja Kuprat vorstellen zu dürfen. Sonja Kuprat habe ich vor vielen Jahren in meiner zweiten Heimat Köln kennengelernt. Bereits 2005 als ich den Ausstellungsraum 150kubik Largus kuratierte, konnte ich sie zusammen mit Käthe Kruse aus Berlin zu einer Ausstellung einladen. Seither verfolge ich ihre Malerei und bin nach wie vor fasziniert von ihrer gewagten und gelungenen Kombination aus annähernd photorealistischer und abstrakter Malweise. Sonja Kuprat ist in Essen geboren, sie hat an der FH Köln Malerei studiert und davor absolvierte sie ein Grafik-Design Studium an der FH in Düsseldorf und Dortmund.

Sonja Kuprat setzt sich mit der Wahrnehmung und Konstruktion von Natur auseinander. Wie wollen wir Natur sehen und was macht ein Bild aus, so dass wir es der Natur entsprechend wahrnehmen, es die Natur widerspiegelt. Damals in Köln konzentrierte sie sich auf das Thema Gräser. Hier in dieser Ausstellung sehen Sie die neusten Arbeiten der Künstlerin, sie fasst die hier gezeigten Werke unter dem Titel »Wolken und Firmament« zusammen. Die Kunsthistorikerin Dagmar Behr aus Düsseldorf hat zu dieser Ausstellung einen Text verfasst, den einige von Ihnen sicherlich schon entdeckt haben. Im Vorgespräch haben wir uns daher geeinigt, dass ich etwas zur Malweise und dem Ansatz der Künstlerin selbst sage, als dass ich die Bilder erklären oder interpretieren möchte.

Sonja Kuprat´s Kunst ist reine Malerei, ganz klassisch malt sie ausschließlich in Öl. Die Arbeiten die sie hier sehen, sind so jung, dass wer eine feine Nase hat, dies noch riechen kann. Im Laufe der Jahre hat Sonja ihre Maltechnik verfeinert, perfektioniert und sich so einen ganz eigenen Malstil und Arbeitsweise erarbeitet. In Schichten legt sie ihre Bilder an, bringt Emulsionen auf, um dann die Pinselstriche genau nach ihren Vorstellungen zu ziehen. Grosse Formate legt sie auf den Boden. Es ist schwer sich vorzustellen, dass da kein Hilfsmittel als die Hand und der Pinsel zum Einsatz kommen. Mit solcher Genauigkeit zu arbeiten braucht grosse Konzentration, am Ende verleiht genau dies den Bildern ihre tiefe Ruhe und hohe Präsenz.

Bei den neueren Arbeiten benutzt Sonja schon zu Anfang schwarze Leinwand. Der Start eines Bildes will sie mit freiem Kopf beginnen, ohne genaue Vorstellung. Anfänglich lässt sie sich komplett aus dem Malprozess heraus leiten. Die Leinwand liegt auf dem Boden, von der Leiter herab spritzt Sonja die Farbe darauf, der Zufall wirkt als Hilfsmittel für den Beginn. Das Bild wird an die Wand gelehnt, die Farbe läuft, nochmals wird es gedreht, wieder Farbe aufgetragen … In diesem spielerischen Malprozess, werden verschiedene Aktionen ausgeführt, solange bis Sonja in der so erzeugten Bildstruktur etwas sieht, entdeckt, beispielsweise einen Himmel, einen Horizont, Wolkenformationen. So arbeitet sie sich vor zu einer bewussten Umsetzung dessen was ihr erscheint, geht ins Detail und arbeitet das Bild heraus. Was am Anfang grob beginnt kann im Extremfall mit einem kleinen Rotmarderhaarpinsel enden. Es kann vorkommen, dass sie sich einige Monate lang dieselbe CD beim Malen auf Repeat anhört, um immer wieder in die gleiche Stimmung eintauchen zu können. Sonja nennt dies eine Arbeitsweise zwischen Kontemplation und Konzept.

Emotional expressiv Gestisches, welches immer auch das Bild sprengen könnte, wird zu einer Bildkonzeption des Ganzen geführt. Freie gestische Elemente gehen zusammen mit der Komposition, d.h. Sonja übernimmt die Kontrolle der einzelnen Bildelemente ohne ihnen ihre Freiheit zu nehmen. Der Künstlerin ist es wichtig, dass der Blickwinkel der Betrachter und Betrachterinnen nicht festgelegt ist, es kann eine Sicht von oben, von unten oder frontal sein, das ist nicht definiert. Die Dimensionen sind völlig offen. Wir erhalten keine Anhaltspunkte zur Größe des abgebildeten Raumes. Ein weiterer Aspekt ist die spürbare Bewegung innerhalb des Motivs, als gäbe es Bilder davor und danach, einem Filmstill gleich. Als hätte Sonja aus „ihrem Film“, gerade dieses Moment angehalten, um es uns zu zeigen. Das erzeugt eine hohe Lebendigkeit und Raumtiefe; beinahe ist das Rauschen der Orte zu hören. Sie merken also, Sonja Kuprat’s Malerei sind keine Abbilder gesehener Ansichten, Ausblicke oder Fotografien von Landschaften, Wolken oder ähnlichem, sondern die Zusammenführung vieler Eindrücke ihrer Beobachtungen der Natur, die sie in gänzlich neue Bilder transformiert.

Immer bleibt es bei Landschafts- und Naturthemen mit Variationen, aus welchen Werkreihen entstehen. Die Bilder selbst bekommen keine Titel, stattdessen werden sie nummeriert, die Ausstellungen jedoch werden in spezifische Titel gefasst. Der Einstieg in die Bildbetrachtung ist vermeintlich einfach, manche Bildelemente erinnern an die Fotografie einer Landschaft und der Wiedererkennungswert ist sehr hoch, doch das täuscht. Ein gutes Beispiel, wie das eben nicht wirklich funktioniert, ist das Bild an der hinteren Wand. Hier ist der Himmel am unteren Bildrand, es kommt zu einer Umkehrung und der oder die Betrachterin selbst muss entscheiden, welche Position er oder sie einnehmen will.

Ich möchte mit einem Zitat von Uwe Schramm, einem Essener Kunsthistoriker, zu Sonja´s Malerei schließen: »Als scheinbarer Ausschnitt aus einem größeren Gesamtzusammenhang suggeriert das Bild die eigentliche Ungreifbarkeit sinnlich fassbarer Phänomene«.

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Sonja Kuprat – Städtisches Museum Kalkar
Bei genauerem Hinsehen

Einleitung zur Ausstellungseröffnung von Jörg Happel, Kurator, Niederrheinischer Kunstverein, April 2015

Beginn im Obergeschoss:
Zu Beginn zitiere ich den Maler Thomas Kohl: »Es gibt keine Landschaft. Landschaft ist ein Modell, das sich der Mensch geschaffen hat, um Natur zu verstehen«. Die Werke, das Gemalte, das was wir hier wahrnehmen, das Sichtbare an sich ist damit Metapher für Landschaft. Sonja Kuprats Abstraktionen von Landschaft, von Natur, von Himmel und Erde sind dann »gleichsam Formeln oder Floskeln von Wirklichkeit«.

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Einleitung zur Ausstellungseröffnung von Jörg Happel, Kurator, Niederrheinischer Kunstverein, April 2015

Beginn im Obergeschoss:
Zu Beginn zitiere ich den Maler Thomas Kohl: »Es gibt keine Landschaft. Landschaft ist ein Modell, das sich der Mensch geschaffen hat, um Natur zu verstehen«. Die Werke, das Gemalte, das was wir hier wahrnehmen, das Sichtbare an sich ist damit Metapher für Landschaft. Sonja Kuprats Abstraktionen von Landschaft, von Natur, von Himmel und Erde sind dann »gleichsam Formeln oder Floskeln von Wirklichkeit«. Wenn Landschaft als künstlerische Konstruktion beherrschbar ist, ist dann die Abstraktion dasjenige, das den ästhetischen Reiz ausmacht?

Hier kann man Gedanken von Ernst Cassirer zitieren, der in einer Aufsatzsammlung aus den Jahren 1927–1933 mit dem Titel »Symbol, Technik, Sprache« den Blick auf die Landschaft mit den »Augen eines Künstlers« mit einem Spaziergang durch die Matrix der Natur vergleicht: »Ich fange an, ein Bild von ihr zu formen. Damit habe ich ein neues Terrain betreten, das Feld nicht der lebendigen Dinge, sondern der »lebenden Formen«. Nicht mehr in der unmittelbaren Wirklichkeit der Dinge stehend, bewege ich mich nun im Rhythmus der räumlichen Formen, in der Harmonie und im Kontrast der Farben, im Gleichgewicht von Licht und Schatten«. Auch Sonja Kuprats Bilder beschreiben nichts, sie erzählen nicht von bekannten Landschaften und Gegenden. Sie sind Ideen von Landschaft, schaffen Projektionen für Vorstellungen, Gefühle und Stimmungen, die das Erscheinungsbild der Natur in uns beeinflussen und auch verändern können. Wenn es also um Ideen und Projektionen geht, wie lassen sich die Vorgänge des Malens, die zu einem bestimmten oder ggf. auch wieder änderbarem Ergebnis führen und beim Betrachter ein Erlebnis auslösen (sollen), beschreiben?

Lassen Sie mich die Vorgehensweise der Künstlerin zu erklären versuchen: In der ersten Phase des Malprozesses ist nicht vorhersehbar, was auf der Leinwand alles geschehen wird. Die Arbeitsweise ist spontan, expressiv, experimentell: Die Künstlerin kann ihrer Intuition folgen oder sich von den Farben leiten lassen. Sie kann verschiedene Techniken ausprobieren, aus dem Dahingeworfenen etwas ableiten. Langsam entwickelt sich daraus die Arbeit am eigentlichen Bild. So lange bestimmen Zufall und Wechsel das Geschehen, bis sich aus der Idee eine Komposition entwickelt hat, die neue, andere Wahrnehmungszusammenhänge sichtbar macht. Sonja Kuprat erzeugt malerische Dynamik und geistige Spannung in ihren Werken: das Helle der aufstrebenden, fast hyperrealistisch gemalten Wolken, das Oben, können für das Vergängliche, das Immaterielle, das Geistige stehen, die dunklen Farben des Unten für das Materielle, das Rationale. Ein anderer wichtiger Aspekt ist, dass in den Werken Bildräume miteinander kommunizieren.

Auch bei der Hängung korrespondieren die in Moyländer Hängung arrangierten Kleinformate mit den anderen großformatigen Werken im Raum. Fleckig wirkende dunkle Farbflächen werden von bunten, gesättigten Farben horizontal durchzogen. So wird gleichzeitig noch Räumlichkeit erzeugt, die wir auch in den farbigen gelben oder orangerotfarbenen Horizontlinien wiederfinden, bei denen durch die Farbkontraste das Leuchten des Lichts verstärkt wird. So entsteht trotz der Spannungen Ausgewogenheit und Gleichgewicht in der Komposition. Im Grundsatz implizieren aber die dunklen Flächen der unteren Bildhälften – die Schatten der Wolken – die Umkehrung des naturalistisch wirkenden Oben. Auch hier geht es trotz der Spannungen um Ausgewogenheit und Gleichgewicht in der Komposition. Dieser auch formal ordnende Aspekt erinnert auch an den ersten Schöpfungsbericht in Genesis 1,1-4: Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde, die ganze Welt. Auf der Erde war es noch wüst und unheimlich; es war finster, und Wasserfluten bedeckten alles. Über dem Wasser schwebte der Geist Gottes. Da befahl Gott: Licht soll aufstrahlen! Und es wurde hell. Gott hatte Freude an dem Licht; denn es war gut. Er trennte das Licht von der Dunkelheit … Der Schöpfergott ordnet das Chaos, ermöglicht Leben durch Trennen von Hell und Dunkel. In diesem Zusammenhang noch einige Anmerkungen zum Gelb in der Farbwelt der Künstlerin: Wer einmal über einer urtümlichen Landschaft wie die Wüste des Wadi Rum in Jordanien die Sonne aufgehen sah, vor der die Finsternis der blau-violett wirkenden dunklen Felsformationen zurückweicht, kann dies als elementare Erfahrung der Erschaffung des Lichts und der täglichen Wiederkehr aus der Finsternis nachempfinden. Und dies auf einem Felsplateau sitzend, auf dem der ursprünglich helle, gelbbraune Sand von der Sonneneinstrahlung in eine braunschwarze glasurartige Masse gebrannt wurde. Auch das von rechts ins Bild hinein drängende rhythmische Gelb sorgt für lebhafte Extraversion, erzeugt Offenheit und Hellwerden.

Erdgeschoss:
Das »So oben wie unten« zeigt sich auch in dem explodierenden punktförmigen Blau in der oberen Bildhälfte und der Umkehrung in den eher naturalistisch wirkenden Wolkendarstellungen in der unteren Bildhälfte, die aber sowohl helles Blau, da auf weite, Ferne, Kälte hindeutet, als auch dunklere Blautöne zeigt, die sich auf Stabilität, Schwere und Vertiefung beziehen lassen. Hier schafft das ovale Formgebilde unten formal Begrenzung, während das expansive helle Blau oben für Entgrenzung steht. So wirkt die Gesamtkomposition expressiv, transzendent und deutlich surreal. Ist der Horizont schwebend, so wird neben dem Aufstrebenden in die Tiefe Fallendes deutlich. Hier kann den Betrachter ein Gefühl von Angst und Verlorenheit erfassen, da das kalte Blau und das kalte Grün ihn erschauern lassen.

Mit ihren Grüntonen nimmt Sonja Kuprat die aus der subtraktiven Mischung paralysierenden Kräfte von Blau und Gelb auf, schafft Aktivität, zeigt das scheinbar Ziellose von Naturkräften in der gerichteten kraftvollen Bewegung des Pinselduktus. Vor meinen Augen entsteht ein fast luzid wirkender Ionenstrom, der sich in der Unendlichkeit des Kosmos bewegt. Auch hier noch ein kleiner Einschub: Für Hildegard von Bingen steht das Grün des frühen Morgens, die benedicta viriditas, für die »Grünkraft des Kosmos«, die für sie identisch mit Gottes Schöpferkraft ist. In dem unstofflich wirkende Weiß der Wolken, das vor allem in kleinen Formaten auffällt, die zu einem Gesamtkunstwerk gehängt sind und in Korrespondenz zu den Großformaten zu sehen sind, repräsentiert sich neben dem zum Immateriellen neigenden hellen Blau die Natur in ihrer fast transzendenten Durchsichtigkeit.

Einige abschließenden Bemerkungen:
Wie die Naturwissenschaften die Natur nicht einfach so beschreiben, wie sie »an sich« ist, so zeigen die Werke Sonja Kuprats Vorstellungen und Projektionen von Natur, von Landschaft, weisen auf das Wechselspiel zwischen der Natur und uns selbst hin. Denn nur im Zusammenhang mit der Wechselwirkung des Objekts mit dem Betrachter entsteht Bedeutung. Mit den Worten des Atomphysikers Heisenbergs: »Was wir beobachten, ist nicht die Natur selbst, sondern Natur, die unserer Art der Fragestellung ausgesetzt ist«. Fragen zu stellen erfordert aber das genauere Hinsehen. Womit wir beim Titel der Ausstellung angelangt sind. Lassen Sie sich nun durch die Werke Sonja Kuprats in einen sehenden Zustand versetzen … (Es gilt das gesprochene Wort.)

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Welt der Erscheinungen

zur Ausstellung »Die Verlängerung des Blicks«, von Lutz Rohs, Galerist, Düren, 2007

Sonja Kuprat, bin ich mir sicher, bezieht ihre Sujets nicht vor Ort, sondern aus einem Arsenal möglicher Landschaften, die sie in sich gespeichert hat: Idealisierte Landschaftstypen, wobei speichern und idealisieren schon einer sehr eigenen, persönlichen Art von Wahrnehmung bzw. Verarbeitung von Wahrnehmung entspricht. Natürlich geht es auch bei ihr nicht um Ähnlichkeiten, das wäre zu einfach und nur Handwerk. Mein Eindruck ist der einer parallelen Welt,

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zur Ausstellung »Die Verlängerung des Blicks«, von Lutz Rohs, Galerist, Düren, 2007

Sonja Kuprat, bin ich mir sicher, bezieht ihre Sujets nicht vor Ort, sondern aus einem Arsenal möglicher Landschaften, die sie in sich gespeichert hat: Idealisierte Landschaftstypen, wobei speichern und idealisieren schon einer sehr eigenen, persönlichen Art von Wahrnehmung bzw. Verarbeitung von Wahrnehmung entspricht. Natürlich geht es auch bei ihr nicht um Ähnlichkeiten, das wäre zu einfach und nur Handwerk. Mein Eindruck ist der einer parallelen Welt, parallel zur Äußerlichkeit der Welt der Erscheinungen, erstellt und erschaffen im Rahmen einer völlig persönlichen und autonomen Ästhetik. Sonja Kuprat erschafft das Bild der Welt nach ihrem eigenen Bild, das sie in sich trägt – die Ästhetik ist dem Akt des Erzeugens vorgelagert, ist schon da, die Bildvorstellung wird gewissermaßen hineingegossen.

Das Maß, das entscheidet, ist die Ästhetik: die Bilder wirken elegant und ausgewogen und ebenso dynamisch wie harmonisch – diese Ausgewogenheit, diese harmonische Einheit dynamischer Bewegungen scheint mir das eigentliche Ziel, der eigentliche Inhalt dieser Ästhetik zu sein. Farbgebung und Zeichnung suchen und finden ein in sich ruhendes Gleichgewicht, voller Kraft und trotzdem schwebend, die Abstraktion der Landschaft konterkariert den fotographisch abstrakten Himmel, auch das erzeugt Gleichgewicht und Harmonie: das Schnelle, Vergängliche der Wolkenbildung wird gleichsam zeitlos gemacht, während das Feste beweglich und dynamisch erscheint. Diese Veränderlichkeit wird zusätzlich unterstützt vom vorherrschenden Grün, der Farbe organischen Lebens, von Formen, die botanisch wirken.

Man sollte Bilder nicht zu sehr analysieren und in ihre Einzelteile zerlegen – ein gutes Bild sollte immer ein Rätsel, ein Geheimnis sein – ich nehme an, auch für den Künstler – und auch bleiben. Für mich selbst kann ich nur sagen, dass es dieses Geheimnis ist, das nicht in Worte übersetzbar ist, was mich zur Kunst hinzieht – und zu Sonja Kuprats Bildern.

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Horizonte des Unendlichen

Dr. Uwe Schramm, Kunsthistoriker
»Farbe als Farbe, Bilder der Werner Richard – Dr. Carl Dörken Stiftung«
Sammlungskatalog, Herdecke 2004, Herausgeberin: Werner Richard – Dr. Carl Dörken Stiftung
In der Geschichte der von Menschen entworfenen Bildwelten zählt die Insel zu den traditionsreichsten. Von je her vereint das Motiv des Inseldaseins eine breite Palette menschlicher Träume, Ängste, Sehnsüchte und Visionen – als Ort selbst gewählter oder erzwungener Einsamkeit, der Abgeschiedenheit von jeglicher moralischer, gesellschaftlicher und zivilisatorischer Instanz,

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Dr. Uwe Schramm, Kunsthistoriker
»Farbe als Farbe, Bilder der Werner Richard – Dr. Carl Dörken Stiftung«
Sammlungskatalog, Herdecke 2004, Herausgeberin: Werner Richard – Dr. Carl Dörken Stiftung
In der Geschichte der von Menschen entworfenen Bildwelten zählt die Insel zu den traditionsreichsten. Von je her vereint das Motiv des Inseldaseins eine breite Palette menschlicher Träume, Ängste, Sehnsüchte und Visionen – als Ort selbst gewählter oder erzwungener Einsamkeit, der Abgeschiedenheit von jeglicher moralischer, gesellschaftlicher und zivilisatorischer Instanz, als Hort der Geborgenheit und des paradiesischen Ursprungs aber auch als Symbol der Enge, Leere, Eingrenzung und des schicksalhaften Ausgeliefertseins. Der Blick von der Insel hin auf die Außenwelt macht diesen Gegensatz von Außen und Innen, von innerer Selbstreflexion und äußerer Abkehr bewußt erlebbar. Gerichtet auf die Unendlichkeit des Horizontes, von keinerlei Hindernissen begrenzt, werden die vertrauten Kategorien von Raum und Zeit als gegenstandslose Konstrukte menschlichen Rationalitätsstrebens erkennbar.

»Inseln« lautet der Titel einer Werkreihe, die die Malerin Sonja Kuprat Mitte der neunziger Jahre entwickelt hat. Der Großteil der Bilder aus dieser Reihe ist querformatig angelegt, so daß das hier gezeigte Werk mit seinem vertikalen Bildaufbau als prägnante Ausnahme innerhalb der formal sehr geschlossenen Gruppe der »Insel«-Bilder erscheint. Sämtliche Arbeiten aus dieser Schaffensphase verfügen über einen belebten, zwischen ungebremster Dynamik und ruhevoller Konzentration schwankenden Duktus. Deutlich erkennbare Pinselspuren, Aufwölbungen, Verkrustungen und kantige Grate überziehen die Oberfläche mit einer bewegten Reliefstruktur. Aus Farbverdichtungen und flächigen, extrem geglätteten Farbverwischungen entsteht ein optisch wirksames Ordnungssystem, das die Oberfläche der Leinwand in ineinander verschwimmende Zonen von geronnener Farbmaterie und lichtvoller Transparenz unterteilt. Die das Bildfeld in Gänze bedeckende Farbe überschreitet in ihrer Wirkung jedoch dessen Grenzen. Der Fluß der Farbe ermöglicht dem Betrachter, deren Bewegung gedanklich weiterzuführen und über die Grenzen des Bildes hinaus in den Raum zu projizieren. Indem das Auge in die Farbschichten eintaucht und sich in der Farbmaterie verliert, erfährt es die Möglichkeit, ein Gefühl von grenzenloser Weite und Unendlichkeit bewußt zu erleben. Als scheinbarer Ausschnitt aus einem größeren Gesamtzusammenhang suggeriert das Bild die eigentliche Ungreifbarkeit sinnlich faßbarer Phänomene.

Diese mit dem Titel der Werkreihe angedeutete Bildaussage verdichtet sich allerdings erst bei einer größeren Distanz zu einem nachhaltigen optischen Eindruck. Von Nahem betrachtet, verliert sich jede gegenstandsorientierte Gewissheit im Eindruck korrespondierender Farben. Malerei wird als das erlebbar, was sie ist: als Spiel der Farben auf einer Oberfläche. Sie findet hier zu sich selbst zurück und beweist ihre Existenzfähigkeit ohne das Wirken gegenständlicher Bezüge. Assoziationen an Natur und Landschaft sind zwar gewollt, nicht jedoch unabdingbare Voraussetzungen für ein tiefergehendes Verständnis der künstlerischen Aussage. Sonja Kuprat weist dem Betrachter mit der Titelgebung nur einen von verschiedenen gangbaren Wegen, um sich dem Wesen und der Bedeutung ihrer Malerei von unterschiedlichen Seiten her zu nähern.

Eine Art Weiterentwicklung oder Verschiebung der mit Sonja Kuprats »Insel«-Bildern verknüpften Darstellungsinteressen manifestiert sich in den aktuellen Bildern der Künstlerin. War ihr Blick zunächst auf die unauslotbaren Tiefen unendlicher Farbräume gerichtet, so fokussiert die Malerin nunmehr ihre gestalterischen Ambitionen auf die Visualisierung einer fast makrokosmischen Annäherung an naturhafte Gegenständlichkeit. Die vordem in die Fläche geführte Farbbehandlung ist hier einem verstärkt linearen Darstellungsmodus gewichen. Schmale, in fließendem Grün-Gelb gehaltene Pinselbahnen verdichten sich zu Linienbündeln, die die Bildoberfläche mit einem eigenwillig fließenden Ornament überziehen. An Stellen, wo sich das Liniengeäst lichtet und zerteilt, entstehen Durchblicke, die das Auge auf einen wolkig bewegten Hintergrund lenken. Getragen vom organischen Fluß der Linien, gleitet das Auge in einer Art Zustand fortwährender Bewegung von Bildrand zu Bildrand, um die dadurch markierten Richtungsverläufe über die tatsächlichen Grenzen des Bildes hinaus gedanklich fortzuführen. Ähnlich wie schon bei Kuprats Bearbeitungen des Inselmotivs, scheinen auch hier die über das Bildfeld rankenden Lineamente dem Betrachter einen sinnfälligen Eindruck von der Dauer endloser Bewegtheit zu vermitteln. Der Betrachter kann seine Annäherung an diese Bildwelten nur vorläufig abschließen, sie aber nie wirklich vollenden. Dafür sorgt eine Malerei, die sich augenscheinlich nur für einen kurzen Moment zu einem greifbaren Motiv verdichtet, um damit der Sehnsucht des Betrachters immer neue Horizonte zu eröffnen.

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Offenes Terrain
Beobachtungen zu den Bildern von Sonja Kuprat

Dr. Barbara Hess, Kunsthistorikerin, Köln, 2001

Es wäre das Einfachste, die Bilder von Sonja Kuprat, die seit Mitte der neunziger Jahre entstanden sind, der traditionsreichen und bis heute resistenten Gattung der Landschaftsmalerei zuzuordnen. Eine Gruppe von Gemälden, zusammengefasst unter dem Titel »Inseln«, markierte 1996 einen Bruch in der Entwicklung von Sonja Kuprats bis dahin figurativem Werk und kennzeichnete zugleich den Übergang zu einer anderen Technik, der Ölmalerei.

In Sonja Kuprats jüngeren Arbeiten tritt der Bezug auf konkrete Landschaftserfahrungen in den Hintergrund.

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Dr. Barbara Hess, Kunsthistorikerin, Köln, 2001

Es wäre das Einfachste, die Bilder von Sonja Kuprat, die seit Mitte der neunziger Jahre entstanden sind, der traditionsreichen und bis heute resistenten Gattung der Landschaftsmalerei zuzuordnen. Eine Gruppe von Gemälden, zusammengefasst unter dem Titel »Inseln«, markierte 1996 einen Bruch in der Entwicklung von Sonja Kuprats bis dahin figurativem Werk und kennzeichnete zugleich den Übergang zu einer anderen Technik, der Ölmalerei.

In Sonja Kuprats jüngeren Arbeiten tritt der Bezug auf konkrete Landschaftserfahrungen in den Hintergrund. Zudem verzichtet die Künstlerin bei dem Entstehungsprozess ihrer »Landschaften«, in den Erinnerungen an Naturerfahrungen einfließen, auf die vermittelnde Instanz der Fotografie, auf jenen Rückgriff auf ein Dokument, der den Malern der Generation von Gerhard Richter noch um einiges zwingender erschien. Nur der horizontale Bildaufbau und das noch immer naturnahe, aber kühlere Farbspektrum dieser Bilder lenken die Assoziationen des Betrachters weiterhin in diese Richtung. Dies gilt etwa für eine umfangreiche und noch nicht abgeschlossene Werkgruppe kleinformatiger Tafeln. Der beinahe minimalistische Einsatz malerischer Mittel und die Reduktion der querformatigen Kompositionen auf zwei oder drei horizontale Streifen steigern das assoziative Potenzial dieser Bilder durch ihre Konzentration auf das Wesentliche. Betrachtet man sie in seriellen Anordnungen, gewinnen sie zudem ein filmisches Moment und lassen an einen Blick in die Ferne denken, dessen Wahrnehmung durch eine schnelle Fortbewegung verwischt wird.

Die großformatigen Kompositionen der letzten Jahre hingegen legen einen anderen, eher kontemplativen Modus der Rezeption nahe: In ihnen interagieren ruhige, atmosphärische Farbzonen mit gestisch-bewegteren Formationen und suggerieren dadurch räumliche Tiefe – eine Malerei, die nicht »nach der Natur«, sondern »parallel zur Natur« und gemäß ihrer eigenen medialen Gesetze entsteht. Diese nicht betitelten Bilder erforschen das offene Terrain zwischen angedeuteter Referentialität und reiner Abstraktion; damit unterlaufen sie zugleich die Grenzen eines Genres wie Landschaftsmalerei.

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